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Dienstag 12.10.
Dieser Tag gestaltet sich durch ein einzigartiges Kontrastprogramm: Am Vormittag kehren
wir unserem Campingplatz in Ornans den Rücken zu, um die Stadt Besancon und insbesondere
die Zitadelle zu besichtigen. Am Nachmittag wollen wir eine Höhle erkunden.
Leider gestaltet sich das Finden der Zitadelle recht schwer, da wir uns an die Flüsse
und nicht an die verwinkelten Gassen einer französischen Stadt gewöhnt hatten. Wir
lotsen unsere beiden Fahrer in die wahrscheinlich engsten Gassen Frankreichs, und muten
ihnen Wendemanöver zu, die den gesamten Stadtverkehr lahmlegen. Wir können Ingo alle
sehr gut verstehen, als er uns verzweifelt mitteilt, daß er endlich in die Höhle will.
Und an dieser Stelle muss ein großes Lob an ihn und Herrn Lepke gerichtet werden, die
nach den stundenlangen Autobahnfahrten vom ersten und zweiten Tag auch noch die
nervtötenden Rangierereien gutgelaunt ertragen.
Nach geraumer Zeit gelangen wir - eher durch Zufall, als gewollt
- über eine versteckte, steile Straße zur Zitadelle. Sie liegt direkt auf einer
Bergkette über der Stadt, und man hat einen faszinierenden Ausblick von dort oben. Wir
ertappen uns allerdings immer wieder dabei, wie wir ehemalige Eingänge in den alten
Gemäuern entdecken, und uns überlegen wo sie wohl hinführen könnten. Wir entwickeln
eben einen bestimmten Blickwinkel, der nicht dem typisch touristischen entspricht.
Am Nachmittag kehren wir erleichtert dem bunten Treiben der Stadt den Rücken zu. Unser
Ziel ist nun eine Höhle mitten im Wald. Über ein immer kleiner werdendes Straßensystem,
gelangen wir dorthin. Irgendwann biegen wir von einer Landstraße auf einen Feldweg ab,
der mitten auf einer Waldlichtung endet. Wir sind am Ziel. Wenig später erscheint Jean
Marie, der Höhlenbesitzer. Er will uns durch den Untergrund führen. Eingepackt in
Neoprenanzug, festem Schuhwerk, Schutzhosen und einem Schutzhelm mit Leuchte stehen wir
da. Viele Fragen spuken uns auf dem Weg zur Höhle im Kopf herum. Schafft man den engen
Abstieg in die Höhle? Was erwartet uns da unten ? Lohnen sich Anstrengungen und auch
teilweise die Angstüberwindung überhaupt?
Als wir an einer massiven Felswand angekommen sind, müssen wir mit einigem Abstand
warten, bis Jean Marie den Höhleneingang geöffnet hat, der zur Sicherheit mit einem
komplizierten Öffnungsmechanismus gesichert ist. Nach kurzer Zeit winkt uns Jean Marie
zu, es kann losgehen.
Immer mehr von uns verschwinden in dem Eingang. Zurück bleiben ein paar Skeptiker.
Letztlich entschliessen sich drei von uns an der Erdoberfläche zu bleiben. Die anderen
krabbeln oder klettern immer tiefer unter die Erde. Der 15m Abstieg ist der engste und
schwierigste Teil der Höhle. Hier muß man sich immer wieder neu orientieren und durch
kleine Löcher im Boden schlüpfen. Eine Stelle, an der zwei Felsspalten beinahe
aufeinander stoßen, ist besonders eng. Es bleibt gerade so viel Platz, dass man nur im
ausgestreckten Zustand mit den Füßen voraus durchpasst.
Aber als wir unten ankommen, sind alle Mühen und Anstrengungen
vergessen. Uns eröffnet sich eine phantastische Welt aus Stalagmiten und anderen
skurrilen Formen, die zum Teil über 2 Millionen Jahre alt sind. Man fühlt sich beinahe
wie auf einem anderem Planeten, und wir entdecken immer wieder neue Gebilde, die uns mit
offenem Mund staunen lassen. Jean Marie erweist sich als ein ausgezeichneter
Höhlenführer. Er scheint jeden Winkel zu kennen, und erzählt uns voller Stolz diverse
Geschichten (natürlich auf Französisch), z.B. daß er schon einmal in der Höhle
geschlafen hat, oder er hilft uns, wenn das Wasser in dem Flussbett, in dem wir entlanggehen,
plötzlich tiefer wird. Höhepunkt seiner Führung ist mit Sicherheit seine musikalische
Darbietung auf einer Tropfsteinkaskade. Nach ca. 1 ½ Stunden befinden wir uns in einer
unterirdischen Halle. Von hier aus könnte man noch stundenlang weiter durch das
Höhlensystem krabbeln, doch wir kehren um. Der Rückweg ist uns vertraut aber dennoch
abenteuerlich. Einige Taschenlampen werden immer dunkler, das Laufen im kalten Flußbett
wird immer anstrengender, und der Aufstieg aus der Höhle kostet viel mehr Mühe als der
Abstieg. Trotzdem gelangen wir alle einigermaßen wohlbehalten an die Erdoberfläche.
Inzwischen ist es dunkel geworden und wir haben keine Ahnung, wie spät es
ist. Wir gehen zurück zu den Wohnmobilen, irgendwie froh, wieder unter freiem Himmel zu
sein. Hier verabschieden wir uns von Jean Marie, unendlich dankbar, dass er uns diese
einmalige Erlebnistour ermöglicht hat. Diese Nacht verbringen wir im Wald und gönnen uns
passend dazu ein Lagerfeuer. Obwohl man sich dringendst eine Toilette und vor allem eine
Dusche hätte wünschen können, genießen wir einfach unser "Waldschratdasein."
An diesem Abend wird noch sehr viel gelacht und geredet. Unsere Gruppe ist durch die
Erlebnisse in den letzten Tagen immer mehr zusammengewachsen und wir sind alle so viel
reicher an Erfahrung und bescheidener in unseren Ansprüchen geworden.
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